2009-11-18

Anima

























Die Seele, die Anima, schafft die Beziehung zum Unbewussten. In gewissem Sinne ist es auch eine Beziehung zur Kollektivität der Toten; denn das Unbewusste entspricht dem mythischen Totenland, dem Lande der Ahnen.

The soul, the anima, creates the relation to the unconscious. In a certain sense, it is also a relation to the collectivity of the deads; because the unconscious complies with the mythic land of the deads, the land of the ancestors.

~ Memories, Dreams and Thoughts by C. G. Jung ~

2009-11-17

metamorphosis

























Erst als ich die Alchemie kennen lernte, wurde es mir klar, dass das Unbewusste ein Prozess ist, und dass die Beziehung des Ich zu den Inhalten des Unbewussten eine eigentliche Wandlung oder Entwicklung der Psyche auslöst.

… denn die Beschäftigung mit den Inhalten des Unbewussten formt den Menschen und bewirkt seine Wandlung. Mein Leben ist mein Tun, meine geistige [und künstlerische] Arbeit. Das eine ist vom andern nicht zu trennen.

Only when I got to know alchemy, it became clear to me that the unconscious is a process, and that the self's relation to the unconscious' contents activate an actual change or development of the psyche.

… because the work with the contents of the unconscious forms the human being and causes his change. My life is my actions, my intellectual [and artistic] work. The one can not be separated from the other.

~ Memories, Dreams and Thoughts by C. G. Jung ~

2009-11-16

longing for light

























Damals verstand ich, dass in der Seele von Uranfang her eine Sehnsucht nach Licht wohnt und ein unabdingbarer Drang, aus ihrer uranfänglichen Dunkelheit herauszukommen.

Die Sehnsucht nach dem Licht ist die Sehnsucht nach Bewusstsein.

At that time I understood that from first beginning, a longing for light inhabits the soul, and an indispensable urge to get out of her primeval darkness.

The longing for light is the longing for consciousness.

~ Memories, Dreams and Thoughts by C. G. Jung ~

2009-11-15

myth

























Der Mythus ist die unvermeidliche und unerlässliche Zwischenstufe zwischen dem Unbewussten und der bewussten Erkenntnis.

The myth is the unavoidable and indispensable interstage between the unconscious and the conscious cognition.

~ Memories, Dreams and Thoughts by C. G. Jung ~

2009-11-14

Wenn du der Träumer bist...





















Ich bin, du Ängstlicher. Hörst du mich nicht
mit allen meinen Sinnen an dir branden?
Meine Gefühle, welche Flügel fanden,
umkreisen weiss dein Angesicht.
Siehst du nicht meine Seele, wie sie dicht
vor dir in einem Kleid aus Stille steht?
Reift nicht mein mailiches Gebet
an deinem Blicke wie an einem Baum?

Wenn du der Träumer bist, bin ich dein Traum.
Doch wenn du wachen willst, bin ich dein Wille
und werde mächtig aller Herrlichkeit
und ründe mich wie eine Sternenstille
über der wunderlichen Stadt der Zeit.

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-13

Aller Engel grösster...





















Du bist so gross, dass ich schon nicht mehr bin,
wenn ich mich nur in deine Nähe stelle.
Du bist so dunkel; meine kleine Helle
an deinem Saum hat keinen Sinn.
Dein Wille geht wie eine Welle,
und jeder Tag ertrinkt darin.

Nur meine Sehnsucht ragt dir bis ans Kinn
und steht vor dir wie aller Engel grösster:
ein fremder, bleicher und noch unerlöster,
und hält dir seine Flügel hin.

Er will nicht mehr den uferlosen Flug,
an dem die Monde blass vorüberschwammen,
und von den Welten weiss er längst genug.
Mit seinen Flügeln will er wie mit Flammen
vor deinem schattigen Gesichte stehn
und will bei ihrem weissen Scheine sehn,
ob deine grauen Brauen ihn verdammen.

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-12

Gott reift
























Daraus, dass einer dich einmal gewollt hat,
weiss ich, dass wir dich wollen dürfen.
Wenn wir auch alle Tiefen verwürfen:
wenn ein Gebirge Gold hat
und keiner mehr es ergraben mag,
trägt es einmal der Fluss zutag,
der in die Stille der Steine greift,
der vollen.

Auch wenn wir nicht wollen:
Gott reift.

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-11

Mach mich zum Wächter...





















Mach mich zum Wächter deiner Weiten,
mach mich zum Horchenden am Stein,
gib mir die Augen auszubreiten
auf deiner Meere Einsamsein;
lass mich der Flüsse Gang begleiten
aus dem Geschrei zu beiden Seiten
weit in den Klang der Nacht hinein.
Schick mich in deine leeren Länder,
durch die die weiten Winde gehn,
wo grosse Klöster wie Gewänder
um ungelebte Leben stehn.
Dort will ich mich zu Pilgern halten,
von ihren Stimmen und Gestalten
durch keinen Trug mehr abgetrennt,
und hinter einem blinden Alten
des Weges gehn, den keiner kennt.

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-10

Dass deine Hand an mir geschehe...





















Vielleicht, dass ich durch schwere Berge gehe
in harten Adern, wie ein Erz allein;
und bin so tief, dass ich kein Ende sehe
und keine Ferne: alles wurde Nähe,
und alle Nähe wurde Stein.

Ich bin ja noch kein Wissender im Wehe, –
so macht mich dieses grosse Dunkel klein;
bist du es aber: mach dich schwer, brich ein:
dass deine ganze Hand an mir geschehe
und ich an dir mit meinem ganzen Schrein.

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-09

Nah ist das Land...




















Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte sind:

Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gib mir Gewand.

Hinter den Dingen wachse als Brand,
dass ihre Schatten ausgespannt
immer mich ganz bedecken.

Lass dir alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.

Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.

Gib mir die Hand.

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-08

Ich kann --





















Da neigt sich die Stunde und rührt mich an
mit klarem metallenem Schlag:
mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann --
und ich fasse den plastischen Tag.

Nichts war noch vollendet, eh ich es erschaut,
ein jedes Werden stand still.
Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut
kommt jedem das Ding, das er will.

Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem
und mal es auf Goldgrund und gross
und halte es hoch, und ich weiss nicht wem
löst es die Seele los...

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-07

Wachsend aus Wüstensand





















Wenn ich gewachsen wäre irgendwo,
wo leichtere Tage sind und schlanke Stunden,
ich hätte dir ein grosses Fest erfunden,
und meine Hände hielten dich nicht so,
wie sie dich manchmal halten, bang und hart.

Dort hätte ich gewagt, dich zu vergeuden,
du grenzenlose Gegenwart.
Wie einen Ball
hätt ich dich in alle wogenden Freuden
hineingeschleudert, dass einer dich finge
und deinem Fall
mit hohen Händen entgegenspringe,
du Ding der Dinge.

Ich hätte dich wie eine Klinge
blitzen lassen.
Vom goldensten Ringe
liess ich dein Feuer umfassen,
und er müsste mirs halten
über die weisseste Hand.

Gemalt hätte ich dich: nicht an die Wand,
an den Himmel selber von Rand zu Rand,
und hätt dich gebildet, wie ein Gigant
dich bilden würde: als Berg, als Brand,
als Samum, wachsend aus Wüstensand --

~ Rainer Maria Rilke ~

2009-11-06

awake and at home























Now mind is clear
as a cloudless sky.
Time then to make a
home in wilderness.

What have I done but
wander with my eyes
in the trees? So I
will build: life,
dreams, and seek
for truth.


Or I
perish of lonesomeness
or want of food or
lightning or the bear
(must tame the hart
and wear the bear).

And maybe make an image
of my wandering, a little
image — shrine by the
roadside to signify
to traveler that I live
here in the wilderness
awake and at home.

~ Allen Ginsberg ~

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The original verse:

What have I done but
wander with my eyes
in the trees? So I
will build: wife,
family, and seek
for neighbors.


Allen may forgive me...